II.01 Ein sauberer Schnitt
Um ein guter Chirug zu sein, muß man wie ein Chirurg denken. Gefühle sind chaotisch. Man räume sie ordentlich weg und betrete dann einen sauberen, sterilen Raum, wo der Vorgang einfach ist. -Schneiden, nähen, zumachen-.
Doch manchmal bekommt man es mit einer Wunde zu tun, die nicht heilen will. Eine Wunde, die immer wieder weit aufgerissen wird.
Es heißt "Übung macht den Meister". Man erzählt uns immer: "Je mehr man denkt wie ein Chirurg, desto eher wird man einer." Nur so lernt man neutral zu bleiben, analytisch. -Schneiden, nähen, zumachen-. Und umso schwieriger wird es, das wieder abzustellen,.. aufzuhören, wie ein Chirurg zu denken. Und sich daran zu erinnern, was es bedeutet, wie ein normaler Mensch zu denken.
II.02 Genug ist genug
Ich habe eine Tante, die, wenn sie einem etwas einschenkte, immer das Gleiche sagte: "Sag stopp."
Meine Tante sagte also immer: "Sag stopp." Aber natürlich haben wir das nie getan. Wir sagen nicht "Stopp", weil die Möglichkeit, dass es noch mehr geben könnte, etwas Verlockendes hat. Mehr Tequila ~ Mehr Liebe ~ Mehr egal was ~ Mehr ist besser!
Es ist schon was dran an dem Spruch mit dem halbvollen Glas. Daß man wissen muss, wann man besser aufhört. Ich glaube, die Grenze ist fließend. Sie zeigt an, was man braucht, und was man noch haben möchte. Die Grenze liegt bei jedem Menschen woanders, und sie hängt davon ab, was eingegossen wird. Manchmal möchten wir nur ein bisschen probieren. Und es gibt andere Gelegenheiten, da ist uns nichts genug. Das Glas ist bodenlos. Wir wollen nur eins: Mehr!
II.03 Gebrochene Herzen
Chirurgen sind Kontrollfreaks. Mit einem Skalpell in der Hand fühlt man sich unbesiegbar. Man kennt keine Angst und keinen Schmerz. Man fühlt sich drei Meter groß und kugelsicher. Tja, und dann verlässt man den OP. Und die ganze Perfektion, diese ganze wunderbare Kontrolle, ist im Eimer.
Niemandem macht es Spaß, die Kontrolle zu verlieren. Aber für einen Chirurgen gibt es nichts Schlimmeres. Es ist ein Zeichen der Schwäche. Es zeigt, dass man einer Aufgabe nicht gewachsen ist.
Und dennoch gibt es Zeiten, in denen einem die Dinge einfach entgleiten, in denen die Welt aufhört sich zu drehen und man erkennt, dass das glänzende kleine Skalpell einen nicht retten kann.
Egal, wie sehr man sich dagegen wehrt, jeder Mensch fällt irgendwann einmal. Und das ist eine schreckliche Erfahrung. Aber wenn es etwas Gutes am Fallen gibt, dann ist es die Chance, die man seinen Freunden gibt, einen aufzufangen.
II.04 Selbstverleugnung
Der Schlüssel zum Überleben als Assistenzarzt in der Chirurgie ist die Verleugnung. Wir leugnen, dass wir müde sind, wir leugnen, dass wir Angst haben, wir leugnen wie wichtig uns der Erfolg ist. Und – und das ist am wichtigsten – wir leugnen, dass wir das alles verleugnen.
Wir sehen nur das, was wir sehen wollen, und wir glauben, was wir glauben wollen. Und das funktioniert. Wir lügen uns so lange etwas vor, bis uns nach einer Weile die Lügen wie die Wahrheit vorkommen. Wir leugnen alles so lange, bis wir die Wahrheit nicht mehr erkennen.
Auch wenn sie sich direkt vor unserer Nase befindet.
Manchmal hat die Wirklichkeit so eine Art, sich von hinten anzuschleichen und einen in den Hintern zu beißen. Wenn der Damm bricht, kann man nur noch versuchen zu schwimmen.
Man kann sich nicht dadurch schützen, indem man sich ständig etwas vormacht. Man kann sich nur eine begrenzte Zeit lang etwas vorlügen.
Wir sind müde. Wir haben Angst. Das zu leugnen ändert nichts an der Wahrheit. Früher oder später müssen wir alle mal mit dem Verleugnen aufhören, den Tatsachen ins Auge sehen und uns ins Getümmel stürzen.
Verleugnung – wenn man erstmal damit anfängt, kann man nicht mehr aufhören, und es ist wie eine Sucht. Aber wie kommt man von so einer Sucht wieder los?
II.05 Der Schmerz
Schmerz kommt in vielen Formen vor. Das leichte Zwicken, ein bisschen Brennen, der zufällige Schmerz. Das sind die normalen Schmerzen, mit denen wir jeden Tag leben.
Aber es gibt auch den anderen, den man nicht ignorieren kann. Ein so heftiger Schmerz, der alles andere verdrängt. Der die ganze Welt verblassen lässt, sodass wir an nichts anderes mehr denken können außer daran, wie weh es tut.
Wie wir mit unserem Schmerz umgehen, liegt an uns. Schmerz – wir betäuben ihn, wir halten ihn aus, umarmen ihn oder ignorieren ihn. Und für manche von uns ist der beste Weg mit ihm umzugehen, sich einfach durchzubeißen.
Schmerz – man muss ihn einfach aushalten und hoffen, dass er von allein wieder weggeht. Hoffen, dass die Wunde, die er ausgelöst hat, verheilt. Es gibt keine wirklichen Lösungen. Und auch keine leichten Antworten. Am besten atmet man tief ein und aus und hofft, dass der Schmerz nachlässt.
Meistens kann man den Schmerz kontrollieren. Aber manchmal erwischt er einen da, wo man es nicht erwartet hat. Er trifft einen unter der Gürtellinie und hört nicht mehr auf wehzutun.
Schmerz – man muss sich ihm einfach stellen. Denn die Wahrheit ist, dass man ihm nicht entkommen kann. Das Leben bringt ständig neuen Schmerz.
II.06 Zugunglück
Im Allgemeinen kann man die Menschen in zwei Kategorien einteilen: Diejenigen, die Überraschungen lieben, und diejenigen, die das nicht tun. Ich – liebe sie nicht.
Ich kenne keinen Chirurgen, der sich über eine Überraschung freut, denn als Chirurgen sind wir gerne über alles auf dem Laufenden. Das müssen wir auch sein, denn wenn wir es nicht sind, sterben Leute, und dann wir jemand verklagt.
Ist das überhaupt gerade relevant? Ich glaub', ich fange an zu faseln.
Also, was ich vorhin eigentlich sagen wollte – und ich wollte tatsächlich etwas sagen, es hat jedenfalls nichts mit Überraschungen oder Tod oder Verklagen zu tun, nicht mal mit Chirurgen –, was ich sagen will ist folgendes: Wer auch immer den Spruch geprägt hat, "Was man nicht weiß, kann einem nicht wehtun", war ein kompletter Vollidiot. Denn für die meisten Menschen die ich kenne, ist es das schlimmste Gefühl der Welt, etwas nicht zu wissen.
(Nachdem man zwei Menschen sieht, die bei einem Zugunglück mit einer Stange durchbohrt wurden): Na OK, ich geb's zu, vielleicht nur das zweitschlimmste.
Für uns als Chirurgen gibt es vieles, was wir wissen müssen. Wir müssen wissen, dass wir die nötigen Fähigkeiten haben. Wir müssen wissen, wie wir uns um unsere Patienten kümmern. Und wie wir uns um einander kümmern. Irgendwann müssen wir sogar lernen, wie wir uns um uns selbst kümmern.
Als Chirurgen müssen wir immer auf dem Laufenden sein. Aber für uns als Menschen ist es manchmal besser, im Dunkeln zu tappen. Denn im Dunkeln hat man vielleicht Angst, aber dort herrscht auch Hoffnung.
II.07 Gerede
Kommunikation. Das ist das Erste, was man im Leben wirklich lernt. Komisch ist nur, wenn man älter wird und anfängt ernsthaft miteinander zu reden, dann wird es richtig schwer zu wissen, was man sagen soll. Oder um etwas zu bitten, was man wirklich braucht.
Wenn man ehrlich sein will, gibt es natürlich Sachen, bei denen man nicht anders kann als über sie zu reden. Manches möchten wir einfach nicht hören. Anderes sagen wir, weil wir nicht mehr länger still sein können.
Manche Dinge sind mehr als das, was man sagt. Sie sind das, was man tut. Manchmal spricht man etwas aus, weil man keine Wahl hat. Manches behält man für sich. Und nicht allzu oft, aber ab und zu, gibt es Dinge, die für sich sprechen.
II.08 Romeo und Julia
In der achten Klasse nahmen wir in der Schule "Romeo und Julia" durch. Als Fleißaufgabe ließ uns Mrs. Snyder das Stück mit verteilten Rollen lesen. Sal Scafarillo war Romeo. Wie das Schicksal so spielt, war ich Julia.
Alle anderen Mädchen waren neidisch, aber ich sah das ein bisschen anders. Ich sagte Mrs. Snyder, dass Julia eine Idiotin war. Zuerst verliebt sie sich in einen Mann, von dem sie weiß, dass sie ihn nicht haben kann, und dann macht sie das Schicksal für ihre eigene schlechte Entscheidung verantwortlich. Mrs. Snyder hat mir dann erklärt, dass wenn das Schicksal ins Spiel kommt, man manchmal keine Wahl mehr hat.
Im reifen Alter von dreizehn war mir damals ganz klar, dass es in der Liebe wie im Leben darum geht, sich zu entscheiden. Und Schicksal hat nichts damit zu tun.
Alle finden das so romantisch: Romeo und Julia – die wahre Liebe. Wie traurig... Wenn Julia blöd genug war sich in den Feind zu verlieben, eine Flasche Gift zu trinken und sich in einem Mausoleum schlafen zu legen, dann hat sie das verdient, was sie bekommen hat.
Vielleicht hatte das Schicksal Romeo und Julia tatsächlich für einander bestimmt – aber nur für eine Weile. Und dann war ihre Zeit vorbei. Wenn die das vorher gewusst hätten, dann wäre vielleicht alles in Ordnung gewesen.
Ich habe Mrs. Snyder damals gesagt, wenn ich erwachsen sei, würde ich mein Schicksal in selbst in die Hand nehmen. Ich würde nicht zulassen, dass ein Kerl mich runterzieht. Mrs. Snyder meinte, ich würde mich glücklich schätzen können, wenn ich diese Leidenschaft je mit jemandem erleben könnte. Und wenn, dann würden wir für immer zusammen sein.
Selbst heute noch glaube ich, dass es bei der Liebe hauptsächlich um Entscheidungen geht. Es geht darum, das Gift und den Dolch wegzulegen und sein eigenes Happy End zu schreiben. Jedenfalls meistens.
Doch manchmal, auch wenn man die besten Absichten hat und die richtigen Entscheidungen trifft, siegt das Schicksal trotzdem.
II.09 Dankbarkeit
Dankbarkeit, Anerkennung, Wertschätzung - egal welche Worte man benutzt, es läuft immer auf's Gleiche raus: Glücklich sein.
Eigentlich sollen wir glücklich sein; und dankbar für die Freunde, Familie. Dankbar dafür, am Leben zu sein. Ob es uns nun Spaß macht oder nicht.
Vielleicht sind wir nicht dazu bestimmt, glücklich zu sein. Vielleicht hat Dankbarkeit auch nichts mit Glücklichkeit zu tun. Dankbarkeit bedeutet vielleicht einfach, das, was man hat, so zu sehen, wie es wirklich ist. Man muss die kleinen Siege genießen. Und anerkennen, wie sehr man sich anstrengen muss, um einfach nur Mensch zu sein. Vielleicht sind wir dankbar für die Dinge, die wir kennen, und vielleicht auch für die Dinge, die wir nie erfahren werden.
Im Grunde genommen ist allein die Tatsache, dass wir den Mut haben, weiter zu machen, genug Grund zu feiern.
II.10 Fünflinge
Als Kind waren es die Süßigkeiten, die man geschenkt bekommen hatte. Man versteckte sie vor den Eltern und aß so lange davon, bis einem schlecht wurde. Als Student war es die aufregende Kombination von Jungsein, Tequila und na ja, ihr wisst schon... Als Chirurg nimmt man so viel von den guten Dingen mit, wie man bekommen kann, weil man sie bei Weitem nicht so oft bekommt, wie man sie bekommen sollte.
Doch auch bei den guten Dingen kann der Schein trügen. Zuviel von einer Sache - selbst von der Liebe - ist wirklich nicht immer gut.
Woher weiß man, wann irgendetwas zuviel ist? Wenn es zu früh kommt? Wenn man es gar nicht wissen wollte? Wenn es zuviel Spaß macht? Wenn man zu sehr liebt? Wenn man zuviel verlangt?
Und wo ist der Punkt, an dem man's nicht mehr aushalten kann?
II.11 Einsamkeit
Vor 40 Jahren stellten die Beatles der Welt eine einfache Frage. Sie wollten wissen, woher all die einsamen Menschen kommen. Meine neueste Theorie besagt, dass sehr viele dieser einsamen Menschen aus Krankenhäusern kommen, genauer gesagt aus den chirurgischen Abteilungen der Krankenhäuser.
Als Chirurgen ignorieren wir unsere eigenen Bedürfnisse, damit wir die unserer Patienten bedienen können. Wir ignorieren unsere Freunde und Familien, damit wir die Freunde und Familien von anderen Leuten retten können. Und das bedeutet, dass wir am Ende eigentlich nichts weiter haben als nur uns selbst. Und nichts auf der Welt kann einem ein größeres Gefühl der Einsamkeit geben.
Vor 400 Jahren hatte John Donne, ein bekannter Engländer, auch eine Meinung über das Alleinsein. Er meinte, wir wären niemals allein. Natürlich hat er das eleganter formuliert. "Kein Mensch ist eine Insel, ganz für sich allein."
Vergesst mal das mit der Insel. Er hat nichts weiter gemeint, als dass jeder von und einmal jemanden braucht. Jemanden, der uns zeigt, dass wir nicht allein sind. (Nachdem man Meredith und Izzie mit ihrem neuen Hund Doc spielen sieht): Und wer sagt denn, dass dieser jemand keine vier Beine haben darf? Es kann doch jemand sein, mit dem man spielt und herumtollt, oder einfach nur abhängt.
II.12 Körper und Geist
(Es ist Weihnachtszeit.)
Es ist ein moderner Mythos, dass die Selbstmordrate an Feiertagen abrupt ansteigt. In Wahrheit ist es nämlich so, dass die sinkt. Experten vermuten, das liegt daran, dass Menschen nicht dazu neigen sich umzubringen, wenn sie sich im Kreise ihrer Lieben aufhalten.
Ironischerweise sieht man gerade in dieser Nähe zur Familie den Grund dafür, dass an den Feiertagen die Fälle von Depressionen dramatisch ansteigen. (Nachdem man eine strahlende Izzie in einem mit Weihnachtsschmuck völlig überdekorierten Wohnzimmer sieht): Na ja, Izzie zählt nicht.
Es gibt einen alten Spruch, der lautet: "Seine Familie kann man sich nicht aussuchen." Man nimmt, was das Schicksal einem beschert. Und ob man sie nun mag oder nicht, ob man sie liebt oder nicht, ob man sie überhaupt versteht oder nicht - man kommt irgendwie zurecht.
Dann gibt es da diejenigen, die sagen, dass die Familie, in die wir hineingeboren werden, nur ein Anfang ist. Sie füttert uns, gibt uns Kleider zum Anziehen, und kümmert sich um uns, bis wir bereit sind in die Welt hinauszuziehen ... und unseren eigenen Stamm finden.
II.13 Ein neuer Anfang
Ein neuer Anfang. Dank des Kalenders gibt es ihn jedes Jahr. Stellt einfach eure Uhren auf Januar.
Das neue Jahr ist unsere Belohnung dafür, dass wir die Feiertage überlebt haben. Und mit dem neuen Jahr kommt die große Tradition der guten Vorsätze. Man lässt die Vergangenheit hinter sich und beginnt von neuem.
Es ist schwer, der Chance auf einen neuen Anfang zu widerstehen. Der Chance, die Probleme des vergangenen Jahres zu begraben.
Wer darf entscheiden, wann das Alte endet und das Neue beginnt?
Es ist kein besonderer Tag im Kalender. Kein Geburtstag und auch nicht das neue Jahr. Es ist etwas, das passiert. Etwas Großes oder Kleines. Etwas, das uns verändert. Im Idealfall etwas, das uns Hoffnung gibt. Eine neue Art zu leben, ein neuer Blickwinkel. Das Loslassen von alten Gewohnheiten, alten Erinnerungen.
Das Wichtigste ist, dass wir niemals aufhören daran zu glauben, dass ein neuer Anfang möglich ist. Aber es ist auch wichtig nicht zu vergessen, dass es bei dem ganzen Mist ein paar Dinge gibt, die es wert sind, dass man sie festhält.
II.14 Lügen
Als Ärzte lernen wir, misstrauisch zu sein. Denn unsere Patienten lügen uns am laufenden Band an. Die Regel lautet, dass jeder Patient ein Lügner ist, bis man das Gegenteil beweisen kann.
Lügen ist falsch. Das sagt man und jedenfalls. Andauernd, von der Geburt an. "Lügen haben kurze Beine. Die Wahrheit ist immer das Beste. Ehrlich währt am längsten." Und so weiter...
Tatsache ist: Lügen ist eine Notwendigkeit. Wir belügen uns sogar selbst, weil die Wahrheit ... weil die Wahrheit weh tut, verdammt nochmal!
Wie sehr wir auch versuchen etwas zu ignorieren oder es zu leugnen, irgendwann brechen die Lügen zusammen. Ob uns das nun gefällt oder nicht.
Aber hier ist die Wahrheit über die Wahrheit: Sie tut weh. Also ... lügen wir.
II.15 Streik
In der Chirurgie gibt es eine rote Linie auf dem Fußboden. Sie markiert die Grenze zwischen dem Krankenhaus als eine öffentliche Einrichtung und einem Ort für weniger Auserwählte. Ein Überschreiten dieser Linie ohne Erlaubnis wird nicht toleriert.
Im Allgemeinen gibt es für Grenzen einen Grund. Für die Sicherheit, den Schutz, die Klarheit. Wenn man diese Grenze überschreitet, tut man es normalerweise auf eigenes Risiko. Also warum ist es dann so, dass man, je schärfer sie ist, umso stärker versucht ist, sie zu überschreiten?
Wir können einfach nicht anders. Wir sehen eine Grenze - wir wollen sie überschreiten. Vielleicht, weil es so aufregend ist, das Altbekannte gegen das Neue einzutauschen. Es ist eine Art Mutprobe. Das Problem ist nur: Wenn man einmal die Grenze überschritten hat, ist es beinahe unmöglich, wieder zurückzugehen.
Aber wenn man es dann doch schafft wieder zurückzugehen, ist es besser man ist nicht allein.
II.16 Code Black
(Anmerkung: In dieser Episode spricht Meredith nur einen Anfangsmonolog.)
Wir kennen diesen Ausdruck in den Augen von Patienten. Da liegt es in der Luft, der leise Geruch des Todes. Man erfasst ihn mit einer Art sechstem Sinn. Wenn das Jenseits auf einen zurauscht, dann spürt man es kommen.
Was ist das eine, das man schon immer mal tun wollte, bevor man stirbt? (Man sieht, wie sich Meredith, Izzie und Cristina gegenseitig in einer Dusche einseifen.) OK, hallo?! Mein Traum ist das ja wohl nicht... (Nachdem George aus seinem Bett gefallen ist): Seht ihr? Ich hab’s doch gesagt: Das ist nicht mein Traum.
II.17 Der letzte Tag
Es heißt, in Krankenhäusern weiß man so was. Man weiß, wann man sterben wird. Manche Ärzte sagen, man sieht es in den Augen der Patienten. Manche meinen, es gäbe einen Geruch, den Geruch des Todes. Andere behaupten, es wäre einfach so eine Art sechster Sinn. Wenn das Jenseits auf einen zurauscht, dann spürt man es kommen. Egal was es ist, es ist beängstigend. Denn wenn man es weiß, was soll man dann machen? Vergesst die Tatsache, dass euch die Angst verrückt macht.
Wenn ihr wüsstet, dass dies euer letzter Tag auf der Welt ist, wie würdet ihr ihn verbringen wollen?
Wenn ihr wüsstet, dass dies euer letzter Tag auf der Welt ist, wie würdet ihr ihn verbringen wollen?
II.18 Monster
Nach langem Nachdenken und vielen schlaflosen Nächten bin ich von einer Sache überzeugt: So etwas wie einen Erwachsenen gibt es nicht.
Wir werden zwar älter, ziehen irgendwann von zu Hause aus, verlassen unsere Familien und gründen unsere eigene Familie. Aber die grundlegenden Unsicherheiten, die tief sitzenden Ängste und all die alten Wunden werden einfach mit uns zusammen erwachsen.
Und gerade wenn man denkt, dass das Leben und die Umstände einen gezwungen haben wirklich unwiderruflich zum Erwachsenen zu werden ... (Merediths Mutter: „Ich hab’s die ganze Nacht lang im Bereitschaftsraum getrieben.“) ... sagt die eigene Mutter so einen Satz. (Merediths Mutter: „Und mein Mann fragt sich, warum ich kein Interesse mehr an ihm habe.“) ... Oder noch schlimmer: Sie sagt so etwas wie das.
Wir wachsen, wir werden größer, wir werden älter. Aber die meiste Zeit sind wir immer noch ein Haufen Kinder, die auf einem Spielplatz herumlaufen und verzweifelt versuchen dazuzugehören.
Ich hab’ gehört, dass es möglich sein soll erwachsen zu werden. Ich hab’ nur nie jemanden getroffen, der das tatsächlich geschafft hat.
Ohne Eltern, denen man sich widersetzen kann, brechen wir die Regeln, die wir uns selber aufgestellt haben. Wir kriegen Wutanfälle, wenn wir nicht das bekommen, was wir wollen. Wir verraten unseren besten Freunden Geheimnisse im Dunkeln.
Wir suchen nach irgendjemandem, der uns tröstet. Und wir hoffen gegen alle Logik, gegen alle Erfahrung. Wie die Kinder geben wir die Hoffnung nie auf.
II.19 Karma
(Anmerkung: Dieser Monolog wird von George gesprochen.)
Also es ist so: Manchmal – manchmal treffen selbst die Besten von uns unbedachte Entscheidungen. Schlechte Entscheidungen. Entscheidungen, von denen wir genau wissen, dass wir sie bereuen werden, und zwar in dem Augenblick, in der Minute ... und ganz besonders am Morgen danach. Na ja, vielleicht nicht bereuen im eigentlich Sinn, denn zumindest, zumindest haben wir etwas versucht – aber trotzdem. Irgendetwas in uns hat beschlossen etwas verrücktes zu machen. Etwas, das sich gegen uns wenden wird. Tja, aber leider tun wir’s trotzdem.
Was ich sagen will ist ... dass wir ernten, was wir sähen. Irgendwann kommt alles auf den Tisch. Das nennt man Karma. Und egal, wie man’s sieht ... Karma ist scheiße.
So oder so wird unser Karma dazu führen, dass wir uns mit uns selbst konfrontieren. Wir können unserem Karma ins Auge blicken oder warten, bis es sich von hinten an uns ranschleicht. Auf die eine oder andere Art wird unser Karma uns immer finden.
In Wahrheit ist es so, dass wir als Chirurgen mehr Gelegenheit als andere bekommen gutes Karma anzusammeln. Egal wie sehr wir es versuchen, wir können unserem Karma nicht entkommen. Es folgt und bis nach Hause.
Im Grunde können wir uns über unser Karma nicht beschweren. Es ist nicht unfair, es kommt nicht unerwartet, es sorgt für einen Ausgleich. Und selbst wenn wir Dinge tun, von denen wir wissen, dass es eine echte Versuchung für das Karma wird uns in den Hintern zu treten ... Na ja, man sieht ja: Wir tun’s trotzdem.
II.20 Ein Pflaster für jede Wunde
Wenn man Arzt ist, sagen einem die Patienten ständig, wie sie unsere Arbeit machen würden. „Nähen Sie’s einfach, tun Sie ein Pflaster drauf und schicken Sie mich nach Hause.“ Es ist leicht eine schnelle Lösung parat zu haben, wenn man nicht viel von dem Problem versteht, wenn man nicht weiß, welchen Hintergrund etwas hat oder wie tief die Wunde wirklich ist.
Der erste Schritt auf dem Weg zur wahren Heilung ist, genau zu wissen um welche Krankheit es sich überhaupt handelt. Aber so was wollen die Leute ja nicht hören. Wir sollen die Vergangenheit vergessen, die uns an diesen Punkt gebracht hat, die zukünftigen Verwicklungen ignorieren, die sich vielleicht ergeben und die schnelle Lösung akzeptieren.
Als Ärzte, als Freunde, als menschliche Wesen versuchen wir immer alles so gut zu machen wie wir können. Doch die Welt steckt voller Überraschungen und unerwarteter Wendungen. Und wenn man gerade angefangen hat sich auszukennen, bewegt sich der Boden unter einem und auf einmal kippt man einfach um. Wenn man Glück hat, tut man sich dabei nicht viel. Eine kleine Verletzung, auf die man ein Pflaster kleben kann.
Aber es gibt Wunden, die tiefer gehen, als es zunächst den Anschein hat. Da braucht man mehr als eine schnelle Lösung. Bei manchen Wunden muss man das Pflaster einfach abreißen, man muss Luft an sie lassen und ihnen Zeit geben, damit sie heilen können.
II.21 Aberglaube
Auf dem Campus meiner Uni steht eine magische Statue. Es ist eine alte Tradition, dass die Studenten ihr die Nase reiben, wenn sie Glück brauchen. Meine Zimmergenossin im ersten Jahr glaubte sehr an die Macht der Statue und bestand darauf, ihr vor jeder Prüfung die Nase zu reiben. Zu lernen wäre vielleicht eine bessere Idee gewesen. Im zweiten Jahr musste sie wegen schlechter Noten das Studium beenden.
Aber Tatsache ist, dass wir alle diese abergläubischen kleinen Rituale haben. Wenn man nicht an magische Statuen glaubt, versucht man vielleicht auf dem Bürgersteig nicht auf Linien zu treten oder immer den linken Schuh zuerst anzuziehen. „Klopf auf Holz.“ „Iss auf, sonst gibt es schlechtes Wetter.“
Das letzte was man will, ist die Götter gegen sich aufzubringen.
Aberglaube entsteht in dem Raum zwischen den Dingen, die wir kontrollieren können, und dem, was wir nicht in der Hand haben. „Siehst ’nen Penny, heb’ ihn auf, es folgt ein guter Tag darauf.“
Niemand lässt sich gern eine Chance entgehen, dem Glück auf die Sprünge zu helfen. Aber helfen 33 Wiederholungen wirklich? Hört denn irgendjemand zu? Und wenn sowieso niemand zuhört, warum mühen wir uns überhaupt mit diesen seltsamen Ritualen ab?
Wir bauen auf Aberglauben, weil wir schlau genug sind um zu wissen, dass wir nicht alle Antworten haben. Und dass das Leben manchmal unergründbare Wendungen nimmt.
Verachte nie ein Juju, egal woher es kommt.
II.22 Spielregeln
Ein gutes Basketballspiel kann eine spannende Angelegenheit sein. Wichtig bei solchen Spielen sind der Triumph, die Schmerzen und die einzelnen Spielzüge. Abgesehen davon gibt es aber auch noch die einsameren Spiele. Spiele, die wir alle ganz alleine spielen. Gesellschaftliche Spielchen, psychologische Spielchen – mit ihnen verbringen wir unsere Zeit. Sie machen das Leben interessanter und lenken uns von dem ab, was wirklich los ist.
Es gibt Menschen, die wahnsinnig gern Spiele spielen. Jedes Spiel. Und dann gibt es Menschen, die beim Spielen ... ein bisschen zu ehrgeizig werden.
Das Leben ist kein Zuschauersport. Ob man gewinnt, verliert oder unentschieden spielt – das Spiel läuft ohne Unterbrechung. Ob wir das nun wollen oder nicht.
Also macht nur weiter so: Legt euch mit dem Schiedsrichter an, ändert die Regeln, mogelt ein bisschen, nehmt ’ne Auszeit und pflegt eure Blessuren. Aber spielt. Spielt. Spielt mit Einsatz, spielt schnell, spielt locker und frei. Spielt als gäbe es kein Morgen.
OK, also es geht nicht darum, ob man gewinnt oder verliert, es geht darum wie man spielt. Stimmt’s?
II.23 Opferbereitschaft
Der Schlüssel zum Erfolg als Assistenzarzt liegt in den Dingen, die wir aufgeben. Schlaf, Freunde, ein normales Leben. Wir opfern all das für den einen, unglaublichen Augenblick. Den Augenblick, von dem an wir uns rechtmäßig Chirurgen nennen dürfen.
Es gibt Tage, an denen meint man, dass er die Opfer wert ist. Es gibt allerdings auch Tage, da erscheint einem alles wie ein Opfer. Und dann gibt es da noch diese Opfer, von denen man selbst nicht weiß, warum man sie bringt.
Ein weiser Mann hat einmal gesagt: „Du kannst alles im Leben haben, wenn du bereit bist, alles andere dafür zu opfern.“ Was er meinte, ist, dass man für alles einen Preis bezahlen muss. Bevor man sich in den Kampf stürzt, sollte man sich besser klar sein, was man zu opfern bereit ist. Zu oft ist es so, dass man für das, was schön ist, das aufgibt, von dem man weiß, dass es eigentlich richtig ist.
Jemanden in sein Leben zu lassen bedeutet die Mauern einzureißen, die man sein Leben lang aufgebaut hat.
Natürlich sind die schwersten Opfer diejenigen, die wir nicht kommen sehen. Wenn wir keine Zeit haben, eine Strategie zu entwickeln, eine Seite zu wählen oder die möglichen Verluste abzuwägen. Wenn wir die Schlacht nicht bestimmen können, sondern die Auseinandersetzung zu uns kommt, dann stellt sich manchmal heraus, dass das Opfer größer ist, als wir ertragen können.
II.24 Totalschaden
Wir alle gehen durch’s Leben wie der Elefant im Porzellanladen. Ein Sprung hier, ein Knacks da. Wir richten Schäden bei uns selbst an. Und bei anderen Menschen.
Die Schwierigkeit liegt darin herauszufinden, wie wir den Schaden begrenzen, den wir angerichtet haben. Oden den andere bei uns hinterlassen. Manchmal werden wir von dem Schaden überrascht. Manchmal denken wir, wir können den Schaden reparieren. Und manchmal können wir den Schaden nicht einmal sehen.
Wir sind alle irgendwie beschädigt, wie’s aussieht. Manche von uns mehr als andere. Wir tragen die Schäden aus unserer Kindheit mit uns herum. Und dann, als Erwachsene, teilen wir so gut aus, wie wir können. Letzten Endes richtet jeder von uns mal Schaden an.
Und dann machen wir uns an die Arbeit und versuchen zu reparieren, was zu reparieren geht.
II.25 17 Sekunden
Im Leben bring man uns bei, dass es sieben Todsünden gibt. Wir alle kennen die großen: Völlerei, Hochmut, Wolllust. Aber die Sünde, über die man nicht viel hört, ist der Zorn.
Vielleicht liegt das daran, dass wir denken, der Zorn wäre nicht so gefährlich. Wir denken, wir könnten ihn kontrollieren. Vielleicht zollen wir dem Zorn nicht genug Anerkennung. Vielleicht kann er sehr viel gefährlicher sein, als wir glauben. Wenn es um destruktives Verhalten geht, hat der Zorn es schließlich in die Top 7 geschafft.
Was also unterscheidet den Zorn von den anderen sechs Todsünden? Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn man einer Sünde wie Neid oder Hochmut nachgibt, verletzt man nur sich selbst. Wenn man sich Lust oder Habgier hingibt, wird man nur sich selbst und vielleicht einen oder zwei andere verletzen.
Aber Zorn ... Zorn ist das Schlimmste. Die Mutter aller Sünden. Zorn kann einem zum Äußersten treiben, und wenn das passiert, kann man auch noch eine ganze Menge andere Leute mit in den Abgrund reißen.
II.26 Kampf oder Flucht
(Anmerkung: In dieser Episode gibt es nur einen Anfangsmonolog, dieser wird aber von verschiedenen Charakteren gesprochen.)
Meredith: Der Mensch braucht viele Dinge, um sich lebendig zu fühlen.
George: Familie.
Cristina: Liebe.
Izzie: Sex.
Derek: Aber wir brauchen nur eines ...
Dr. Burke: ... um zu leben.
Cristina: Wir brauchen ein schlagendes Herz.
Addison: Wenn unser Herz in Gefahr ist ...
Alex: ... gibt es zwei mögliche Reaktionen: ...
George: Entweder rennen wir weg ...
Dr. Burke: ... oder ...
Izzie: ... wir greifen an.
Dr. Webber: Die Wissenschaftler nennen das ...
Alex: ... Kampf ...
Addison: ... oder Flucht.
Dr. Bailey: Es ist ein Instinkt.
Meredith: Wir können ihn nicht kontrollieren.
Izzie: Oder vielleicht doch?
II.27 Der Tod und das Mädchen
(Anmerkung: In dieser Episode gibt es weder einen Anfangs- noch einen Endmonolog.)